“Napule” mal anders

In Neapel war ich erst als kleines Kind. Hupkonzerte und Wirrwarr: Das war alles, an was ich mich erinnerte.

Als eine Freundin und ich vor ein paar Wochen eine kurze Aufenthalt in Neapel organisiert haben, machten unsere Familien und Freunde große Augen. In Napoli? Zwei Mädchen?? Alleine??? Das sei aber gefährlich! Weitergeholfen hat für unsere Beunruhigung auch ein Freund meines Vaters, der ursprünglich aus Ercolano in der Provinz Neapel stammt: Keinen großen Rucksack mitnehmen, alles Wertvolle in den Hosentaschen stecken, kein Almosengeben und abends durch die Stadt nicht alleine spazieren gehen.

Leicht reisen

Abgefahren sind wir im Gegensatz dazu mit zwei großen Bergrucksäcken und zwei kleine Handtaschen. Das war doch keine Trotzreaktion an die nützlichen Tipps, aber wie kann bitte sehr eine Frau weniger Gepäck als das mitnehmen?

Überraschenderweise ist aber alles top gelaufen. Nichts wurde uns gestohlen und niemals hatten wir den Eindruck in Gefahr zu sein. Das heißt mit Ausnahme vielleicht der Gelegenheiten, bei denen uns jemand angequatscht hat.

Diese Annäherungsweise haben wir als zudringlich, sogar lästig, empfunden. So haben wir zum Beispiel Elia im Bus kennen gelernt, einen jungen Mann aus Senegal, der sich in unserem Gespräch über wo auszusteigen eingemischt hat. Als ob das nicht schon genug gewesen wäre, hat er uns für ein paar Kilometer nach dem Ausstieg eskortiert und solange über unsere Leben ausgefragt, bis wir die Rettung in dem dringenden und unattraktiven Bedürfnis nach einer Toilette gefunden haben.

Da wir diese Annäherungsweise viel zu oft in so einem kurzen Aufenthalt erlebt haben, musste ich darüber nachdenken. Wollen die Neapolitaner unbedingt was von dir (dich überlisten oder anbaggern) oder sind sie einfach offen und neugierig? Sind wir aus dem Norden vielleicht so verschlossen geworden?

Ich bin unentschieden. Sicherlich sind wir Norditaliener miteinander viel zu spießig. Wenn man eine Frage über irgendwas hat, muss man sich wirklich die richtige Person hier aussuchen, die in jenem Moment gut gelaunt ist. Ansonsten wird man von oben herab geblickt und eine belästigte Antwort bekommen.

Von wegen die sonnigen und immer lächelnden Italiener! Das gilt meistens nur noch im Süden, wo die Menschen noch ungeniert ohne Hilfe eines Monitors miteinander kommunizieren können.

In Neapel haben wir in einem beschäftigten Restaurant nach Informationen gefragt; die Antwort kam präzis, nett und mit einem Lächeln. Mitten auf einer übersonnigen Straße haben wir zwei Damen nach dem Weg gefragt; sie haben uns detailliert beantwortet, uns aufgemuntert und sogar einen Tipp gegeben.

Weniger erfreulich ist die Kehrseite, d.h. beispielweise von einem ziemlich älteren Mann zum Strand verfolgt, viel zu viel angenähert und befragt zu werden. Da weiß man nicht genau, ob es sich um reine Kontaktfreude handelt oder ob es vielleicht einen Hintergedanke dahinten steckt.

Jedenfalls hat sich auch Neapel ein wenig „vernördlicht“: Viele Hupen haben wir tatsächlich nicht gehört und in der Altstadt war ein angenehmes Kommen und Gehen von Touristen und Einheimischen. Dazu wurde die rote Ampel trotz der Raserei respektiert und fast alle Mofafahrer trugen einen Helm! Wirklich erstaunlich!

Würde ich mich nach dieser Reise trauen, Neapel ganz alleine zu besichtigen? Vermutlich nicht. Jedoch wurden in so kurzer Zeit viele meiner bewussten und unbewussten Vorurteile über die Einwohner dieser wunderschönen Stadt abgebaut. Also, wer weiß, vielleicht bei einem zukünftigen längerem Aufenthalt werde ich mir es anders überlegen.

Napoli

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