SILVIO IST WIEDER DA

Silvio ist wieder da

Die Leiden Silvios und seiner Partei sind endlich vorbei. Italiens früherer Regierungschef wurde in der Nacht zu Mittwoch, 11. März, nach stundenlangen Beratungen im Prozess um seine sogenannten „Bunga-Bunga-Partys“ und Sex mit minderjährigen Prostituierten endgültig freigesprochen. Damit ist keine weitere Berufung mehr möglich, der Freispruch ist rechtskräftig: Der Cavaliere ist wieder auf freiem Fuß.

Für die, welche die letzten Folgen der Justizsaga unseres Silvios verpasst haben, hier eine Gedächtnisauffrischung:

27. Mai 2010 – Die Marokkanerin Karima el-Mahrough, alias Ruby Herzensbrecherin (Ruby Rubacuore), wird wegen Diebstahl in Mailand angehalten. Da die junge Frau keine gültige Aufenthaltserlaubnis besitzt, wird eine Jugendrichterin kontaktiert, welche entscheidet, die noch minderjährige el-Mahrough in Gewahrsam nehmen zu lassen, und sie so bald wie möglich in einer betreuten Wohngemeinschaft unterzubringen. Die brasilianische Prostituierte Michelle Conceicao, bei der el-Mahrough wohnte, soll Berlusconi darüber informiert haben. Es folgt einen Anruf des erbarmungsvollen Cavaliere bei der Polizei, bei dem er behauptet, die 17 Jahre alte el-Mahroug sei die Nichte des damaligen ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak. Damit erfolgt die Abholung der Minderjährige Ruby vonseiten der lombardischen Regionalabgeordneten und ehemaligen Dentalhygienikerin des Premiers Nicole Minetti vom Polizeipräsidium.

21. Dezember 2010 – Die Staatsanwaltschaft Mailand nimmt Ermittlungen gegen Berlusconi wegen Amtsmissbrauchs und Förderung der Prostitution Minderjähriger auf. Es wird nämlich festgestellt, dass der Ministerpräsident el-Mahrough aus ausschweifender Partys kennt, die in seiner Villa San Martino in Arcore stattfinden. In diesen Veranstaltungen, die als „Bunga Bunga-Partys” bekannt wurden, hätte Berlusconi Sex gegen Geld mit der damals noch 17-jährigen Ruby gehabt.

6. April 2011 – Der Prozess gegen Berlusconi wird eröffnet, dennoch umgehend auf den 31. Mai 2011 wegen der Erscheinung hunderter Vertreter der weltweiten Medien trotz Untersagung von Fernsehaufnahmen  vertagt.

24. Juni 2013 – Das Mailänder Gericht verurteilt den zurückgetretene Berlusconi in erster Instanz zu sieben Jahren Haft ohne Bewährung und zu einem Verbot der Bekleidung öffentlicher Ämter.

2. Januar 2014 – Berlusconis Anwälte legen Berufung gegen das Urteil ein. Begründung: es liegt keine Straftat vor.

20. Juni 2014 – Das Berufungsverfahren gegen Berlusconi beginnt ohne den Angeklagten am Berufungsgericht Mailands. Berlusconi muss nämlich zeitgleich Sozialstunden ableisten, zu denen er in einem Steuerverfahren verurteilt worden ist.

18. Juli 2014 – Der Berufungsprozess endet mit einem Freispruch. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes ist es doch im Hause Berlusconis zur Prostitution gekommen, und el-Mahrough habe auch zweimal dort übernachtet. Allerdings könne nicht sicher nachgewiesen werden, dass Berlusconi ihr Alter gekannt habe. Für den Vorwurf des Amtsmissbrauches würde es keine Beweise geben.

29. November 2014 – Die Staatsanwaltschaft legt vor dem Kassationsgerichtshof, dem obersten italienischen Zivilgericht, Rechtsmittel gegen das zweitinstanzliche Urteil ein.

10. März 2015 – Das Gericht spricht Berlusconi endgültig frei. In weniger als 90 Tagen werden die Begründungen für den Freispruch Italiens früheren Regierungschefs bekanntgemacht.

Die Hauptbegründung wurde aber zur großen Freude der Fans dieses juristischen Epos schon mitgeteilt: Berlusconi sei nicht nachzuweisen, dass er von der Minderjährigkeit von el-Mahrough gewusst habe.

Und wer könnte ihm das bloß zum Vorwurf machen? Ruby sah doch so erwachsen aus…

Ruby Herzensbrecherin

Obwohl der 78-jährige Silvio bis 2019 keine öffentlichen Ämter übernehmen darf, plant er jetzt schon ein politisches Comeback: „Jetzt, wo auch dieses traurige Kapitel beendet ist, bin ich wieder im Spiel, um mit Forza Italia und dem Mitte-Rechts-Lager ein besseres, gerechteres und freieres Italien aufzubauen”, schrieb Berlusconi kurz nach der Mitteilung seines Freispruchs am 11. März in einer Pressemeldung.

In der Meldung lobt Silvio sogar die Richter, die sich nicht hätten beeinflussen lassen: „Das, was in anderen Ländern selbstverständlich ist, ist in Italien ein Beweis für Mut und Unabhängigkeit.“

Hast du ja recht, lieber Silvio.

Was aber in anderen Ländern auch noch selbstverständlich ist, ist die Tatsache, dass ein Politiker, welcher wegen Amtsmissbrauches, Bestechung, Steuerbetrugs und Förderung der Prostitution ermittelt wird, sofort sein Amt niederlegen würde und nicht erst ein Jahr später, weil er in der Zwischenzeit versuchen möchte, eine Justizreform in Gang zu bringen, um sich der Justiz zu entziehen. Und vielleicht hat sich Silvio schon darauf vergessen, dass er über dieselben Richter nach der Eröffnung des Prozesses um die „Ruby-Affäre“ im April 2011 eine ganz andere Meinung hatte: Er fühlte sich sogar das „Opfer einer Verleumdung durch Richter, die nicht für ihr Land, sondern gegen ihr Land arbeiten“.

„Ich hatte mir nie etwas vorzuwerfen“, liest man weiter in der Pressemeldung. Es bleibe jedoch das Bedauern „über eine Affäre, die unzählige Schäden hinterlassen hat, nicht nur bei mir, meiner Familie und allen anderen darin verwickelten unschuldigen Personen, sondern bei allen Italienern […] und unserem Image in der Welt.“

Ach ja, genau diese Affäre hat das italienische Image in der Welt geschädigt. Unser viermal Regierungschef ist hingegen für seinen Takt und seine Bescheidenheit weltweit bekannt: https://www.youtube.com/watch?v=QMX3EgnI6xg

So bedauernd ist unser Held, dass er schließlich in der Meldung noch allen Italienern dankt, „die mir Wertschätzung und Respekt ausgesprochen und nicht den Verleumdungen geglaubt haben“.

Quatsch, Silvio, WIR müssen danken! Wir haben dich so vermisst! Man hat nämlich nie genügend Politiker in Italien, die große Scheiße aufbauen. Jetzt bist du auch wieder dabei!

Das ist wirklich „ein schöner Tag für Politik, Justiz und Rechtsstaat“”. Meno male che Silvio c’è…

Der Spiegel - 18.07.2011

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